Gustav Mahler: Des Knaben Wunderhorn
Gesänge für eine Singstimme mit Orchesterbegleitung
Songs for voice with orchestral accompaniment
Texte der Orchesterfassungen
Texts to the Orchestra Versions
DES KNABEN WUNDERHORN BD. 1 & 2
Translation © 2002, Dr. Renate Stark-Voit and Thomas Hampson
This project was funded by the Hampsong Foundation.
1. Rheinlegendchen (1893)
2. Verlorne Müh’! (1892)
3. Trost im Unglück (1892)
4. Wer hat dies Liedel erdacht? (1892)
5. Lob des hohen Verstandes (1896)
6. Des Antonius von Padua Fischpredigt (1893)
7. Revelge (1899)
8. Der Tamboursg’sell (1901)
9. Der Schildwache Nachtlied (1892)
10. Lied des Verfolgten im Turm (1898)
11. Wo die schönen Trompeten blasen (1898)
12. Das irdische Leben (1893)
13. Das himmlische Leben (1892)
14. Urlicht (1893)
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Translation © 2002, Dr. Renate Stark-Voit and Thomas Hampson
Knaben-Wunderhorn-Texts-and-Translations (pdf / 126,83 kB)1. Rheinlegendchen
1. Rheinlegendchen
Bald gras’ ich am Neckar,
bald gras’ ich am Rhein;
bald hab’ ich ein Schätzel,
bald bin ich allein!
Was hilft mir das Grasen,
wenn d’Sichel nicht schneid’t;
was hilft mir ein Schätzel,
wenn’s bei mir nicht bleibt!
So soll ich denn grasen
am Neckar, am Rhein,
so werf’ ich mein goldenes
Ringlein hinein.
Es fließet im Neckar
und fließet im Rhein,
soll schwimmen hinunter
in’s Meer tief hinein.
Und schwimmt es, das Ringlein,
so frißt es ein Fisch!
Das Fischlein soll kommen
auf’s König’s sein Tisch!
Der König tät fragen,
wem’s Ringlein sollt’ sein?
Da tät mein Schatz sagen:
„Das Ringlein g’hört mein!“
Mein Schätzlein tät springen
Berg auf und Berg ein,
tät mir wied’rum bringen
das Goldringlein mein!
Kannst grasen am Neckar,
kannst grasen am Rhein!
Wirf du mir nur immer
dein Ringlein hinein!
1. Rhine Legend
Now I mow by the Neckar,
now I mow by the Rhine;
now I have a sweetheart,
now I’m alone!
What good is mowing
if the sickle doesn’t cut;
what good is a sweetheart,
if he/she doesn’t stay with me!
So should I then mow
by the Neckar, by the Rhine,
then I will throw
my little gold ring in.
It will float in the Neckar
and float in the Rhine,
it shall swim right down
into the deep sea.
And when it swims, the little ring,
then a fish will eat it!
The fish will land
on the king’s table!
The king would ask,
whose ring can it be?
Then my sweetheart would say:
‘The ring belongs to me!’
My sweetheart would spring
up hill and down hill,
would bring back to me
my fi ne little gold ring!
You can mow by the Neckar,
you can mow by the Rhine!
You can always toss in
your little ring to me!
2. Verlorne Müh’!
Sie:
„Büble, wir!
Büble, wir wollen auße gehe!
Wollen wir?
Unsere Lämmer besehe?
Gelt! Komm! Komm! lieb’s Büberle,
komm’, ich bitt’!“
Er:
„Närrisches Dinterle,
ich mag dich halt nit!“
Sie:
„Willst vielleicht –
Willst vielleicht a bissel nasche?
Hol’ dir was aus meiner Tasch’!
Hol’, lieb’s Büberle,
hol’, ich bitt’!“
Er:
„Närrisches Dinterle,
ich nasch’ dir halt nit!“
Sie:
„Gelt, ich soll –
Gelt? ich soll mein Herz dir schenke?
Immer willst an mich gedenken.
Immer!
Nimm’s, lieb’s Büberle!
Nimm’s, ich bitt’!“
Er:
„Närrisches Dinterle,
ich mag es halt nit!
nit!“
She:
‘Laddie, we!
Laddie, we want to go out!
Shall we?
Look at our lambs?
Come, come, dear laddie!
Come, I beg you!’
He:
‘Silly lassie,
I don’t like you at all!’
She:
‘You want perhaps –
You want perhaps a little bit to nibble?
Fetch yourself something out of my bag!
Fetch it, dear laddie!
Fetch it, I beg you!’
He:
‘Silly lassie,
I’ll nibble nothing of yours at all!’
She:
‘You mean, I should –
You mean, I should give you my heart!?
Always will you want to think on me.
Always!
Take it! Dear laddie!
Take it, I beg you!’
He:
‘Silly lassie,
I don’t care for it at all!
Nothing!’
3. Trost im Unglück
Wohlan! Die Zeit ist kommen!
Mein Pferd, das muß gesattelt sein!
Ich hab’ mir’s vorgenommen,
geritten muß es sein!
Geh’ du nur hin!
Ich hab’ mein Teil!
Ich lieb’ dich nur aus Narretei!
Ohn’ dich kann ich wohl leben!
Ja leben!
Ohn’ dich kann ich wohl sein!
So setz’ ich mich auf’s Pferdchen,
und trink’ ein Gläschen kühlen Wein!
Und schwör’s bei meinem Bärtchen:
dir ewig treu zu sein!
Du glaubst, du bist der Schönste
wohl auf der ganzen weiten Welt,
und auch der Angenehmste!
Ist aber weit, weit gefehlt!
In meines Vaters Garten
wächst eine Blume drin!
So lang’ will ich noch warten,
bis die noch größer ist!
Und geh’ du nur hin!
Ich hab mein Teil!
Ich lieb’ dich nur aus Narretei!
Ohn’ dich kann ich wohl leben,
ohn’ dich kann ich wohl sein!
Du glaubst, ich werd’ dich nehmen!
Das hab’ ich lang’ noch nicht im Sinn!
Ich muß mich deiner schämen,
wenn ich in Gesellschaft bin!
Now then! The time has come!
My horse, it must be saddled!
I’ve made up my mind,
I must ride away!
Off you go!
I have my due!
I love you only in folly!
Without you I can well live!
Yes, live!
Without you I can well exist!
So I’ll sit on my horse
and drink a glass of cool wine,
and swear by my little beard,
to be true to you forever!
You think, you are the handsomest
in the whole wide world,
and also the most pleasant!
But you are far, far off the mark!
In my father’s garden
there’s a flower growing!
I’ll keep waiting
till it is bigger!
And off you go!
I have my due!
I love you only in folly!
Without you I can well live!
Without you I can well exist!
You think I’m going to take you!
That I will not think of for a long time!
I must be ashamed of you,
when I am in public!
4. Wer hat dies Liedel erdacht?
Dort oben am Berg
in dem hohen Haus,
in dem Haus!
Da gucket ein fein’s, lieb’s Mädel heraus!
Es ist nicht dort daheime!
Es ist des Wirt’s sein Töchterlein!
Es wohnet auf grüner Haide!
Mein Herzle is’ wundt!
Komm’, Schätzle, mach’s g’sund!
Dein’ schwarzbraune Äuglein,
die hab’n mich verwund’t!
Dein rosiger Mund
macht Herzen gesund.
Macht Jugend verständig,
macht Tote lebendig,
macht Kranke gesund,
ja gesund.
Wer hat denn das schön schöne Liedel erdacht?
Es haben’s drei Gäns’ über’s Wasser gebracht!
Zwei graue und eine weiße!
Und wer das Liedel nicht singen kann,
dem wollen sie es pfeifen!
Ja!
Up there on the mountain,
in the high house,
in the house!
There peers out a fi ne, dear maiden!
There is not her home!
She is the innkeeper’s daughter!
She lives on the green heath!
My heart has a wound!
Come, sweetheart, make it well!
Your dark brown little eyes,
they have wounded me!
Your rosy mouth
makes hearts well.
It makes young people rational,
brings the dead back to life,
makes the ill healthy,
yes, healthy.
Who then thought up this pretty, pretty little song?
Three geese have brought it over the water!
Two grey and one white!
And whoever cannot sing this little song,
to him they will whistle it!
Yes –
5. Lob des hohen Verstandes
Einstmals in einem tiefen Tal
Kukuk und Nachtigall
täten ein’ Wett’ anschlagen.
Zu singen um das Meisterstück,
gewinn’ es Kunst, gewinn’ es Glück!
Dank soll er davon tragen.
Der Kukuk sprach: „So dir’s gefällt,
hab’ ich den Richter wählt,“
und tät gleich den Esel ernennen.
„Denn weil er hat zwei Ohren groß,
so kann er hören desto bos,
und, was recht ist, kennen!“
Sie fl ogen vor den Richter bald.
Wie dem die Sache ward erzählt,
schuf er, sie sollten singen!
Die Nachtigall sang lieblich aus!
Der Esel sprach: „Du machst mir’s kraus!
Du machst mir’s kraus! Ija! Ija!
Ich kann’s in Kopf nicht bringen!“
Der Kukuk drauf fing an geschwind
sein Sang durch Terz und Quart und Quint.
Dem Esel g’fi els, er sprach nur:
„Wart! Wart! Wart!
Dein Urteil will ich sprechen,
ja sprechen.
Wohl sungen hast du, Nachtigall!
Aber Kukuk, singst gut Choral!
Und hältst den Takt fein innen!
Das sprech’ ich nach mein’ hoh’n Verstand,
und kost’ es gleich ein ganzes Land,
so laß ich’s dich gewinnen, gewinnen!“
Kukuk, kukuk! Ija!
Once in a deep valley
the cuckoo and the nightingale
struck a wager.
Whoever sang the masterpiece,
whether won by art or won by luck!
Thanks would he take away.
The cuckoo spoke: ‘If you agree,
I have chosen the judge,’
and he at once named the ass.
‘For since he has two large ears,
he can hear all the better,
and recognize what is right!’
Soon they flew before the judge.
When he was told the matter,
he decreed that they should sing!
The nightingale sang out sweetly!
The ass spoke: ‘You muddle me up!
You muddle me up! Heehaw! Heehaw!
I can’t get it into my head!’
There upon the cuckoo began quickly
his song in thirds and fourths and fifths.
It pleased the ass, he spoke but:
‘Wait! Wait! Wait!
I will pronounce thy judgement,
yes, pronounce.
You have sung well, nightingale!
But, cuckoo, you sing a good chorale!
And hold the beat precisely!
I speak from my higher understanding!
And even if it cost a whole country,
I thus pronounce you the winner, the winner!’
Cuckoo, cuckoo! Heehaw
6. Des Antonius von Padua Fischpredigt
Antonius zur Predigt
die Kirche find’t ledig!
Er geht zu den Flüssen
und predigt den Fischen!
Sie schlag’n mit den Schwänzen!
Im Sonnenschein glänzen, sie glänzen!
Die Karpfen mit Rogen
sind all’ hierher zogen;
hab’n d’Mäuler aufrissen,
sich Zuhör’n’s beflissen!
Kein Predigt niemalen
den Fischen so g’fallen!
Spitzgoschete Hechte,
die immerzu fechten
sind eilends herschwommen,
zu hören den Frommen!
Auch jene Phantasten,
die immerzu fasten:
die Stockfisch ich meine,
zur Predigt erscheinen!
Kein Predigt niemalen
den Stockfisch so g’fallen!
Gut’ Aale und Hausen,
die Vornehme schmausen,
die selbst sich bequemen,
die Predigt vernehmen!
Auch Krebse, Schildkroten,
sonst langsame Boten,
steigen eilig vom Grund,
zu hören diesen Mund!
Kein Predigt niemalen
den Krebsen so g’fallen!
Fisch’ große, Fisch’ kleine!
Vornehm’ und Gemeine!
Erheben die Köpfe
wie verständ’ge Geschöpfe!
Auf Gottes Begehren
Die Predigt anhören!
Die Predigt geendet,
ein Jeder sich wendet!
Die Hechte bleiben Diebe,
die Aale viel lieben;
die Predigt hat g’fallen,
sie bleiben wie Allen!
Die Krebs’ geh’n zurücke;
die Stockfisch’ bleib’n dicke;
die Karpfen viel fressen,
die Predigt vergessen!
Die Predigt hat g’fallen,
sie bleiben wie Allen!
At sermon time Anthony
finds the church empty!
He goes to the rivers
and preaches to the fish!
They flap with their tails!
They gleam in the sunshine, they gleam!
The carp with roe
have all congregated;
their jaws gaping,
intent on listening!
Never did a sermon
so please the fish!
Sharp-snouted pike,
that fence continually,
swam up in a hurry
to hear the holy man!
Even those odd creatures
that continually fast:
I mean the codfish,
appear for the sermon!
Never did a sermon
so please the codfish!
Good eels and sturgeon
that people of quality relish,
even they condescend
to attend the sermon!
Crayfish, too, and turtles,
usually slowboats,
climb hurriedly from the depths
to hear this voice!
Never did a sermon
so please the crayfish!
Fish big and fish small!
Of quality and common!
They raise their heads
like rational creatures!
At God’s command
they listen to the sermon.
The sermon finished,
each one turns away!
The pike remain thieves,
the eels great lovers;
the sermon was pleasing,
they all stay the same!
The crabs go backwards;
the codfish stay fat;
the carp gorge a lot,
the sermon’s forgotten!
The sermon was pleasing,
they all stay the same!
7. Revelge
Des Morgens zwischen drei’n und vieren,
da müssen wir Soldaten marschieren
das Gäßlein auf und ab,
trallali, trallaley, trallalera,
mein Schätzel sieht herab!
Ach Bruder, jetzt bin ich geschossen,
die Kugel hat mich schwere, schwer getroffen,
trag’ mich in mein Quartier,
trallali, trallaley, trallalera,
es ist nicht weit von hier!
Ach Bruder, ich kann dich nicht tragen,
die Feinde haben uns geschlagen!
Helf’ dir der liebe Gott!
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera!
Ich muß, ich muß marschieren bis in’ Tod!
Ach Brüder, ach Brüder,
ihr geht ja mir vorüber,
als wär’s mit mir vorbei!
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera!
Ihr tretet mir zu nah!
Ich muß wohl meine Trommel rühren,
ich muß meine Trommel wohl rühren,
trallali, trallaley, trallali, trallaley,
sonst werd’ ich mich verlieren,
trallali, trallaley, trallala.
Die Brüder, dick gesät,
sie liegen wie gemäht.
Er schlägt die Trommel auf und nieder,
er wecket seine stillen Brüder,
trallali, trallaley, trallali, trallaley,
sie schlagen und sie schlagen
ihren Feind, Feind, Feind,
trallali, trallaley, trallalerallala,
ein Schrecken schlägt den Feind!
Er schlägt die Trommel auf und nieder,
da sind sie vor dem Nachtquartier schon wieder,
trallali, trallaley, trallali, trallaley.
In’s Gäßlein hell hinaus, hell hinaus!
Sie zieh’n vor Schätzleins Haus.
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera,
sie ziehen vor Schätzeleins Haus, trallali.
Des Morgens stehen da die Gebeine
in Reih’ und Glied, sie steh’n wie Leichensteine
in Reih’, in Reih’ und Glied.
Die Trommel steht voran,
daß sie ihn sehen kann.
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera,
daß sie ihn sehen kann!
In the morning between three and four,
we soldiers must march
up and down the alley,
trallali, trallaley, trallalera,
my sweetheart looks down!
Oh, brother, now I’ve been shot,
the bullet has struck me hard,
carry me to my billet,
trallali, trallaley, trallalera,
it isn’t far from here!
Oh, brother, I can’t carry you,
the enemy has beaten us,
may the dear God help you!
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera,
I must, I must march on until death!
Oh, brothers, oh, brothers,
you go on past me
as if I were done with!
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera,
you’re treading too near to me!
I must nevertheless beat my drum,
I must nevertheless beat my drum,
trallali, trallaley, trallali, trallaley,
otherwise I will lose myself,
trallali, trallaley, trallala.
My brothers, thickly covering the ground,
lie as if mown down.
Up and down he beats the drum,
he wakes his silent brothers,
trallali, trallaley, trallali, trallaley,
they battle and they strike their enemy,
enemy, enemy,
trallali, trallaley, trallalerallala,
a terror smites the enemy!
Up and down he beats the drum,
there they are again before their billets,
trallali, trallaley, trallali, trallaley.
Clearly out into the alley!
They draw before sweetheart’s house,
trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera,
they draw before sweetheart’s house, trallali.
In the morning there stand the skeletons
in rank and file, they stand like tombstones,
in rank, in rank and file.
The drum stands in front,
so that it can see him.
Trallali, trallaley,
trallali, trallaley, trallalera,
so that it can see him!
8. Der Tamboursg’sell
Ballade
Ich armer Tamboursg’sell!
Man führt mich aus dem G’wölb!
Wär ich ein Tambour blieben,
dürft’ ich nicht gefangen liegen!
O Galgen, du hohes Haus,
du siehst so furchtbar aus!
Ich schau dich nicht mehr an!
Weil i weiß, daß i g’hör d’ran!
Wenn Soldaten vorbeimarschier’n,
bei mir nit einquartier’n.
Wenn sie fragen, wer i g’wesen bin:
Tambour von der Leibkompanie!
Gute Nacht! Ihr Marmelstein!
Ihr Berg’ und Hügelein!
Gute Nacht, ihr Offizier,
Korporal und Musketier!
Gute Nacht!
Gute Nacht ihr Offizier!
Korporal und Grenadier!
Ich schrei’ mit heller Stimm:
Von Euch ich Urlaub nimm!
Gute Nacht!
Ballad
I, poor drummer boy!
They are leading me out of the dungeon!
If I’d remained a drummer,
I would not lie imprisoned!
Oh, gallows, you tall house,
you look so frightening!
I don’t look at you any more!
Because I know that’s where I belong!
When soldiers march past,
that are not billeted with me.
When they ask who I was:
Drummer of the first company!
Good night! You marble rocks!
You mountains and hills!
Good night, you officers,
corporals and musketeers!
Good night!
Good night, you officers!
Corporals and grenadiers!
I cry out with a clear voice:
I take leave of you!
Good night!
9. Der Schildwache Nachtlied
Ich kann und mag nicht fröhlich sein!
Wenn alle Leute schlafen,
so muß ich wachen!
Ja, wachen!
Muß traurig sein!
Lieb’ Knabe, du mußt nicht traurig sein!
Will deiner warten
im Rosengarten!
Im grünen Klee!
Zum grünen Klee da geh’ ich nicht!
Zum Waffengarten!
Voll Helleparten!
Bin ich gestellt!
Stehst du im Feld, so helf’ dir Gott!
An Gottes Segen
ist Alles gelegen!
Wer’s glauben tut!
Wer’s glauben tut, ist weit davon!
Er ist ein König!
Er ist ein Kaiser!
Er führt den Krieg!
Halt! Wer da!!
Rund’!
Bleib’ mir vom Leib!
Wer sang es hier? Wer sang zur Stund’?!
Verlorne Feldwacht
sang es um Mitternacht!
Mitternacht!
Feldwacht!
I cannot and will not be cheerful!
When everyone is asleep,
then I must keep watch!
Yes, keep watch!
Must be sorrowful!
Dear lad, you mustn’t be sad!
I’ll wait for you
in the rose-garden!
In the green clover!
To the green clover, there I do not go!
To the weapons garden!
Full of halberds!
I am posted!
If you are on the battlefield, may God help you!
On God’s blessing
is everything dependent!
Whoever believes it!
He who believes it is far away!
He’s a king!
He’s an emperor!
He wages war!
Halt! Who’s there!!
Patrol!
Stand back!
Who sang here? Who sang just now?!
A solitary field sentinel
sang it at midnight!
Midnight!
Field sentinel!
10. Lied des Verfolgten im Turm
Der Gefangene:
Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten;
sie rauschen vorbei
wie nächtliche Schatten,
kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger sie schießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei!
Das Mädchen:
Im Sommer ist gut lustig sein
auf hohen, wilden Bergen.
Dort fi ndet man grün’ Plätzelein,
mein Herz verliebtes Schätzelein,
von dir mag ich nicht scheiden!
Der Gefangene:
Und sperrt man mich ein
in fi nstere Kerker,
dies Alles sind nur
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei,
die Gedanken sind frei!
Das Mädchen:
Im Sommer ist gut lustig sein
auf hohen, wilden Bergen.
Man ist da ewig ganz allein
auf hohen, wilden Bergen,
man hört da gar kein Kindergeschrei!
Die Luft mag einem da werden,
ja, die Luft mag einem werden.
Der Gefangene:
So sei’s, wie es sei,
und wenn es sich schicket,
nur Alles, Alles sei in der Stille,
nur All’s in der Still!
Mein Wunsch und Begehren,
Niemand kann’s wehren!
Es bleibt dabei:
die Gedanken sind frei!
Das Mädchen:
Mein Schatz, du singst so fröhlich hier,
wie’s Vögelein im Grase.
Ich steh’ so traurig bei Kerkertür,
wär’ ich doch tot, wär’ ich bei dir,
ach muß, ach muß ich immer denn klagen!?
Der Gefangene:
Und weil du so klagst,
der Lieb’ ich entsage!
Und ist es gewagt,
so kann mich Nichts plagen!
So kann ich im Herzen
stets lachen und scherzen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!
Die Gedanken sind frei!
The Prisoner:
Thoughts are free,
who can guess them;
they rush past
like nocturnal shadows,
no man can know them,
no hunter can shoot them,
it remains thus:
thoughts are free!
The Maiden:
Summer is a time for merriment
on high, wild mountains.
There one finds a green place,
my heartily loving little sweetheart,
from you I do not wish to part!
The Prisoner:
And if they lock me up
in a dark dungeon,
all this is but
effort in vain;
for my thoughts
tear the bars apart
and the walls in twain,
thoughts are free!
The Maiden:
Summer is a time for merriment,
on high, wild mountains.
There one is always quite alone,
on high, wild mountains.
There one hears no children yelling!
There the air invites one to himself,
yes, the air invites one to himself.
The Prisoner:
So may it be the way it is!
And if it happens,
may it all happen in the silence,
only everything in the silence!
My wish and desire
can be restrained by no one!
It remains thus,
thoughts are free!
The Maiden:
My sweetheart, you sing as cheerfully here
as a little bird in the grass.
I stand so sadly at the prison door,
if I only were dead, if I only were with you,
alas, must I then always complain?
The Prisoner:
And since you complain so,
I’ll renounce love!
And if I dare,
then nothing can worry me!
Then in my heart I can always
laugh and be jovial.
It remains thus:
Thoughts are free!
Thoughts are free!
11. Wo die schönen Trompeten blasen
Wer ist denn draußen und wer klopfet an,
der mich so leise wecken kann!?
Das ist der Herzallerlieble dein,
steh’ auf und laß mich zu dir ein!
Was soll ich hier nun länger steh’n?
Ich seh’ die Morgenröt’ aufgeh’n,
die Morgenröt’, zwei helle Stern’.
Bei meinem Schatz da wär ich gern’,
bei meinem Herzallerlieble.
Das Mädchen stand auf und ließ ihn ein;
sie heißt ihn auch willkommen sein.
Willkommen lieber Knabe mein,
so lang hast du gestanden!
Sie reicht’ ihm auch die schneeweiße Hand.
Von ferne sang die Nachtigall,
das Mädchen fängt zu weinen an.
Ach weine nicht, du Liebste mein,
auf’s Jahr sollst du mein Eigen sein.
Mein Eigen sollst du werden gewiß,
wie’s Keine sonst auf Erden ist!
O Lieb auf grüner Erden.
Ich zieh’ in Krieg auf grüne Haid,
die grüne Haide, die ist so weit!
Allwo dort die schönen Trompeten blasen,
da ist mein Haus,
mein Haus von grünem Rasen!
Who then is outside and who is knocking,
that can so softly awaken me?
It is your dearest darling,
get up and let me come to you!
Why should I go on standing here?
I see the red of morn arise,
the red of morn, two bright stars.
I long to be with my sweetheart!
With my dearest darling.
The maiden got up and let him in;
she bade him welcome, too.
Welcome, my dear lad!
You have been standing so long!
She offered him too her snow-white hand.
From far away the nightingale sang,
then the maiden began to weep.
Ah, do not weep, beloved mine
after a year you will be my own.
My own you shall certainly become,
as is no other on earth!
Oh love on the green earth.
I’m off to war, on the green heath,
the green heath is so far away!
Where there the fair trumpets sound,
there is my home,
my house of green grass!
12. Das irdische Leben
„Mutter, ach Mutter, es hungert mich!
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur! Warte nur, mein liebes Kind!
Morgen wollen wir ernten geschwind!“
Und als das Korn geerntet war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter, es hungert mich!
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur! Warte nur, mein liebes Kind!
Morgen wollen wir dreschen geschwind!“
Und als das Korn gedroschen war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter, es hungert mich!
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur! Warte nur, mein liebes Kind!
Morgen wollen wir backen geschwind!“
Und als das Brot gebacken war,
lag das Kind auf der Totenbahr’!
‘Mother, oh mother, I’m hungry!
Give me some bread or I shall die!’
‘Just wait! Just wait, my dear child!
Tomorrow we shall hurry to harvest!’
And when the grain was harvested,
the child still cried out:
‘Mother, oh mother, I’m hungry!
Give me some bread or I shall die!’
‘Just wait! Just wait, my dear child!
Tomorrow we shall hurry and go threshing!’
And when the grain was threshed,
the child still cried out:
‘Mother, oh mother, I’m hungry!
Give me some bread or I shall die!’
‘Just wait! Just wait, my dear child!
Tomorrow we shall hurry and bake!’
And when the bread was baked,
the child lay on the funeral bier!
13. Das himmlische Leben
Wir genießen die himmlischen Freuden,
d’rum tun wir das Irdische meiden!
Kein weltlich’ Getümmel
hört man nicht im Himmel!
Lebt Alles in sanftester Ruh’!
Wir führen ein englisches Leben!
Sind dennoch ganz lustig daneben!
Wir tanzen und springen,
wir hüpfen und singen!
Sankt Peter im Himmel sieht zu!
Johannes das Lämmlein auslasset!
Der Metzger Herodes drauf passet!
Wir führen ein geduldig’s,
unschuldig’s, geduldig’s,
ein liebliches Lämmlein zu Tod!
Sankt Lucas den Ochsen tät schlachten
ohn’ einig’s Bedenken und Trachten!
Der Wein kost’ kein Heller
im himmlischen Keller!
Die Englein, die backen das Brod!
Gut’ Kräuter von allerhand Arten,
die wachsen im himmlischen Garten,
gut’ Spargel, Fisolen
und was wir nur wollen,
ganze Schüsseln voll sind uns bereit.
Gut’ Äpfel, gut’ Birn’ und gut’ Trauben!
Die Gärtner, die alles erlauben!
Willst Rehbock, willst Hasen?
auf offener Straßen sie laufen herbei!
Sollt ein Fasttag etwa kommen,
alle Fische gleich mit Freuden angeschwommen,
dort lauft schon Sankt Peter
mit Netz und mit Köder
zum himmlischen Weiher hinein!
Sankt Martha die Köchin muß sein!
Kein’ Musik ist ja nicht auf Erden,
die unsrer verglichen kann werden.
Elftausend Jungfrauen
zu tanzen sich trauen!
Sankt Ursula selbst dazu lacht.
Kein’ Musik ist ja nicht auf Erden,
die unsrer verglichen kann werden.
Cäcilia mit ihren Verwandten
sind treffliche Hofmusikanten!
Die englischen Stimmen
ermuntern die Sinnen!
Daß Alles für Freuden, für Freuden erwacht!
We enjoy the heavenly pleasures,
so can dispense with earthly things!
No worldly turmoil
is to be heard in heaven!
Everything lives in gentlest repose!
We lead an angelic life!
We are, however, at times quite merry!
We dance and jump,
we skip and sing!
Saint Peter in heaven looks on!
Saint John drains the blood of the little lamb!
Herod, the butcher looks out for it!
We lead a patient,
innocent, patient,
a lovable lamb to its death!
Saint Luke slaughters the ox
without giving it thought or mind!
Wine costs not a penny
in heaven’s cellars!
The angels, they bake the bread!
Tasty herbs of every kind
grow in heaven’s gardens,
good asparagus, beans
and whatever we desire,
Whole dishfuls are ready for us.
Good apples, good pears and good grapes!
The gardeners, they let you have anything!
Do you want roebuck or hare?
In the middle of the street they come running to us!
Should, per chance, a day of fasting occur,
all the fish immediately swim up to us with joy,
there’s Saint Peter already running
with his net and bait
to the heavenly fishpond!
Saint Martha must be the cook!
No music on earth
can compare with ours.
Eleven thousand maidens
are bold enough to dance!
Even Saint Ursula herself laughs at the sight.
No music on earth
can compare with ours.
Cecilia with her relatives
are excellent court musicians!
The angelic voices
delight the senses!
So that everything for joy awakens.
14. Urlicht
O Röschen rot!
Der Mensch liegt in größter Not!
Der Mensch liegt in größter Pein!
Je lieber möcht’ ich im Himmel sein!
Da kam ich auf einen breiten Weg.
Da kam ein Engelein und wollt mich abweisen.
Ach nein! Ich ließ mich nicht abweisen!
Ach nein! Ich ließ mich nicht abweisen:
Ich bin von Gott, und will wieder zu Gott!
Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,
wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben!
O little red rose!
Man lies in greatest need!
Man lies in greatest pain!
Even more would I rather be in heaven!
There I came upon a broad path.
There came an angel and wanted to turn me away.
Ah no, I would not be turned away!
Ah no, I would not be turned away:
I am from God and want to return to God!
The loving God will give me a little of the light,
will illuminate me into the eternal blessed life!